Testen und Messen in der Sportwissenschaft

Bericht zur 2. Jahrestagung SGS
5. / 6. März 2010 in der Science City an der ETH Zürich

Das Thema der zweiten Jahrestagung der Sportwissenschaftlichen Gesellschaft der Schweiz (SGS) war „Testen und Messen in der Sportwissenschaft“. Absicht der über 150 Teilnehmenden war eine vertiefte und auch kritische Auseinandersetzung mit der Thematik, die für die Sportwissenschaft zentral ist.

Aktivitätsmessung bei Kindern ist kein Kinderspiel

Im Eröffnungsreferat zeigte Urs Mäder (EHS Magglingen) auf, wie schwierig eine korrekte Erfassung der Aktivität von Kindern ist, auch wenn statt Fragebögen objektivere Ansätze wie Beschleunigungsmesser zur Quantifizierung von Umfang und Intensität der Alltagsaktivität verwendet werden.

 

Chancen und Grenzen von Testen und Messen

Urs Moser (Institut für Bildungsevaluation Universität Zürich) zeigte die Chancen und Grenzen von Testen und Messen im Sport aus der Aussensicht eines Bildungsforschers auf. Er verglich die Diskussionen um die Einführung von Standards für den Sportunterricht mit der Entwicklung in anderen Fächern. Wie Moser ausführte, können Tests vor allem dann zu unerwünschten Nebenwirkungen führen, wenn sie zu Sanktionen beziehungsweise Selektionen führen. Dann besteht die Gefahr, dass Unterricht und Trainings nur noch einseitig auf die Tests ausgerichtet werden.

 

Motorische Tests bei Senioren und in der Rehabilitation

Dass motorische Tests nicht nur bei Kindern zum Einsatz kommen, sondern auch in der Rehabilitation und bei älteren Menschen eine grosse Bedeutung haben, zeigten Brigitte Wirth und Eling De Bruin (ETH Zürich) in ihrem kurzen Vortrag. Sie schöpften aus dem Vollen und zeigten die vielen verschiedenen Messmethoden, die an der ETH in dieser Zielgruppe zum Einsatz kommen.

 

Motorische Tests zur sportlichen Talentselektion

Am zweiten Tag drehte es sich vor allem um den Einsatz sportmotorischer Tests bei Kindern und Jugendlichen. Im ersten Block ging es um die Frage, ob sportmotorische Tests zur Selektion von Sporttalenten eingesetzt werden können. Thomas Rosser(Universität Bern) stellte in seinem Referat die neue Sporttestdatenbank vor und berichtete über den Einsatz von Leistungstests im Schweizerischen Skiverband.
Andreas Krebs (ETH Zürich) berichtete über den Einsatz einer sportmotorischen Testbatterie bei der Selektion von siebenjährigen Kindern zum Begabtenförderprogramm Talent Eye in der Stadt Zürich.

Abschliessend wies Achim Conzelmann (Universität Bern) darauf hin, dass sich die Entwicklung der motorischen Leistungsfähigkeit über die Kinder- und Jugendjahre individuell erheblich unterscheidet und deshalb kaum eine verlässliche Prognose über mehrere Jahre möglich ist. Entsprechend kritisierte er den einseitigen Einsatz von motorischen Tests für die Talentselektion, wenn keine weiteren Kriterien einbezogen werden.

 

Motoriktests bei Kindern und Jugendlichen

Im zweiten Block wurde der Einsatz von sportmotorischen Tests bei Kindern und Jugendlichen allgemeiner abgehandelt. Lukas Zahner (Universität Basel) berichtete über die Kinder- und Jugendsportstudie (KISS), bei der vielfältige Interventionen zur Bewegungsförderung überprüft wurden.

Roland Müller (ETH Zürich) präsentierte erste Resultate der Winterthurer Entwicklungsstudie, in der die individuelle motorische Entwicklung eines ganzen Jahrgangs von rund 900 Kindern über die Primarschulzeit untersucht wird.

Tanja Kakebeeke (Abteilung Entwicklungspädiatrie, Kinderspital Zürich) berichtete über den Einsatz des Zürcher Neuromotoriktests bei der Abklärung von motorischen Auffälligkeiten. Wie bei den anderen Referenten zeigen die Resultate ihrer Studien vor allem eine sehr grosse Variabilitätsbreite der gemessenen Leistungen im gleichen Altersbereich.

 

Konsensus Statement zu Sportmotorischen Tests im Kindes- und Jugendalter

Die verschiedenen Referate bildeten die Grundlage für die geplante Verabschiedung eines Konsensus Statements zu sportmotorischen Tests im Kindes- und Jugendalter. Vorgängig wurden zwei Entwürfe verbreitet, die sich vor allem in ihrer Ausführlichkeit unterschieden. Wie Bernard Marti, Präsident der SGS und Moderator der Diskussion, bereits zu Beginn ausführte, halte die SGS alle Möglichkeiten der Vorgehensweise offen, von Nichteintreten bis zur Verabschiedung eines Statements. Die sehr lebhafte Diskussion zeigte, dass es sich um ein wichtiges und aktuelles Thema der Sportwissenschaft handelt, das auch einen nicht unbedeutenden sportpolitischen Aspekt aufweist.

Postersessionen und Nachwuchspreis 2010

Die SGS-Tagung bot auch ein Podium für alle (Nachwuchs-) Wissenschaftler der Schweiz, die im Rahmen von zwei Postersessionen ihre Projekte vorstellen konnten. Insgesamt wurden 55 Poster zugelassen (Abstractband, Posterpräsentationen).
33 nahmen am Nachwuchspreis für bis 35jährige Wissenschaftler teil: siehe Rangliste! 

Forum Praxisdozenten

Integriert in die Jahrestagung fand auch ein Workshop für die Praxisdozenten der verschiedenen Studiengänge statt. Im ersten Teil hatten sie Gelegenheit, das neue Bewegungslabor in der Sporthalle der ETH Science City praktisch zu erleben. Anschliessend fand ein Austausch zum Thema „Welcher Standard gilt in der Sportpraxis“ statt. Sieben Referenten aus Universitäten und pädagogischen Hochschulen ermöglichten einen Einblick in ihre Praxis. In der anschliessenden Diskussion wurde festgestellt, dass vielfach die Studierenden weniger Fertigkeiten mitbringen – auch weil nur noch selten eine Eignungsprüfung durchgeführt wird - und zudem immer weniger Ausbildungszeit zur Verfügung steht. Einheitliche Standards fehlen, es besteht aber grosses Interesse, die Prüfungen in den einzelnen Sportfächern über die Institutsgrenzen abzugleichen.